Antwort von Lucy Redler;

LAG Ökologische Plattform NRW

Kandidat*innenbefragung zum Parteivorstand, Leipziger Parteitag 2018

Liebe Genoss*innen,

gern antworte ich auf eure Fragen:

Für mich ist die Frage des sozial-ökologischen Umbaus ein Querschnittsthema. Klimawandel, Kriege um Ressourcen, Migration, die soziale Frage: all das ist im globalen Kapitalismus miteinander verknüpft und nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Mein politischer Hauptschwerpunkt im Parteivorstand war in den letzten beiden Jahren das Thema Pflege und Gesundheit. Ich habe mich zudem seit 2011 viel mit Verkehrspolitik beschäftigt (siehe unten, G.14), bin leidenschaftliche Teilnehmerin an der jährlichen „Wir haben es satt-Demonstration“ in Berlin, habe an Blockaden von Castortransporten teilgenommen und anderen außerparlamentarischen Aktivitäten. Darüberhinaus kann ich sicherlich noch viel von eurer Arbeit lernen und profitieren und würde mich über einen engeren Austausch freuen. 

Politisch zentral ist für mich in dem Zusammenhang zweierlei: Erstens die Verknüpfung der ökologischen mit der sozialen Frage: Das macht DIE LINKE schon ganz gut. Zweitens die Verbindung unserer Forderungen in dem Bereich mit dem Ziel der Abschaffung des Kapitalismus, dem die Zerstörung der Umwelt immanent ist. Selbst wenn ein Konzernchef ökologischer wirtschaften wollen würde, würde dies seinen Profit schmälern, der jedoch die Basis seiner Existenz im auf Konkurrenz und Profit basierten Kapitalismus ist. Gerade DIE LINKE als sozialistische Partei sollte die Vision einer sozialistischen ökologischen Gesellschaft, die auf Bedarf von Mensch und Natur und demokratischer gesamtgesellschaftlicher Planung (so zentral wie nötig und so dezentral wie möglich) beruht, mit Leben füllen und ihre konkreten Aktivitäten bei Ende Gelände, gegen die Atommeiler in Tihange und Doel, gegen Fluglärm in Berlin und Frankfurt etc damit verbinden.

Den Antrag G.14 unterstütze ich selbstverständlich. Ich habe 2011/2012 den S-Bahn-Tisch und das S-Bahn-Volksbegehren in Berlin mit angestoßen und organisiert, um eine Teilprivatisierung der Berliner S-Bahn zu verhindern und verschiedene konkrete Verbesserungen durchzusetzen. Auch daher liegt mir das Thema Ausbau des ÖPNVs am Herzen. G.14 mit der Forderung nach Nulltarif für Bus und Bahn ist aus meiner Sicht ein deutlicher Fortschritt zum bisherigen Vorschlag, der u.a. beim Berliner Landesparteitag vor einiger Zeit diskutiert wurde, demzufolge DIE LINKE Berlin eine Öffiflat einführen wollte. Ich bin und war immer der Meinung, dass unser Ziel Nulltarif sein sollte, finanziert durch Steuern auf Unternehmen, anstatt einer Öffiflat, die auch Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zahlen müssten, die den ÖPNV nicht nutzen und damit vor allem durch unsere Klasse finanziert würde. Der Ansatz von G.14, in Teilen die Autoindustrie zahlen zu lassen und eine Unternehmensabgabe einzuführen, geht in die richtige Richtung. Letzteres wurde ja auch im französischen Aubagne erprobt. Es gibt nicht viele, aber einige gute Beispiele wie das der belgischen Stadt Hasselt, das wir studieren sollten.

Es muss ein Grundrecht auf Mobilität für Alle geben. Eine solche sicherzustellen, ohne massive Schädigung von Mensch und Umwelt, ist nur möglich, wenn der ÖPNV kostenlos, die Regel ist und der Autoverkehr die Ausnahme. Das ist daher eine gesellschaftliche Aufgabe und muss gesellschaftlich finanziert werden. Die Automobilindustrie hat mit ihrer Politik in den vergangenen Jahren Schäden in Milliardenhöhe angerichtet und macht gleichzeitig jedes Jahr Milliarden Gewinne. Diese können verwendet werden, um den Nulltarif zu finanzieren. 

Trotzdem hat der Antrag aus meiner Sicht zwei Schwächen: Erstens wirft er die Eigentumsfrage der Autoindustrie noch nicht mal ansatzweise auf, was aber für eine grundlegende Verkehrswende nötig wäre. Zweitens sind die Vorschläge zur Durchsetzung am Ende außer der Vernetzung von Aktiven recht parlamentarisch orientiert. Ohne eine starke Kampagne mit Bündnispartner*innen aus den Gewerkschaften, Umwelt- und Radverbänden wird eine Umsetzung jedoch nicht gelingen. Es würde mich also freuen, wenn das Papier des Antrags nicht geduldig bliebe, sondern wir tatsächlich einen Beitrag leisten „die Verkehrsverhältnisse zum tanzen zu bringen“, wie der Antrag als Anspruch formuliert. 

Auch den Antrag G.23 unterstütze ich. Bei diesem gefällt mir gut, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise und das Profitstreben der Herrschenden in den kapitalistischen Zentren als Ursachen benannt werden. In den folgenden Vorschlägen finden sich viele gute Ideen und Maßnahmen. Aber wie bereits in Bezug auf G.14 frage ich mich: Warum stellen wir nicht mutiger die Eigentumsfrage? In Berlin fordert eine Kampagne derzeit die Enteignung von Deutsche Wohnen und anderen Immobilienkonzernen und bereitet dazu einen Volksentscheid vor. Natürlich müssen Forderungen, die wir in Bezug auf privates Großeigentum abzielen, so formuliert sein, dass die Bevölkerung etwas damit anfangen kann. Aber hat der Dieselskandal, die Überschreitung der Werte von zulässigen Stickoxiden in so vielen Städten und mehr nicht gezeigt, dass wir offensiver werden müssen? Ich bin für Wirtschaftsdemokratie, meine aber, dass wir uns zur Durchsetzung dieser mit den Herrschenden anlegen und über den Kapitalismus hinausgehen müssen. Im Endeffekt werden wir nur das demokratisch kontrollieren können, was uns gesellschaftlich auch gehört. Sonst wird der nötige Klimaschutz immer wieder pervertiert durch Maßnahmen wie Emissionshandel, die für das Kapital kompatibel sind. 

Für die Anträge stimmen kann ich jedoch nicht, da meine Haltung ist, dass Parteivorstandsmitglieder nicht Delegierte sein sollten und ich daher bei der Wahl in den Parteivorstand 2016 mein Delegiertenmandat abgegeben habe. Zudem werde ich beim Leipziger Parteitag nicht vor Ort sein können, da der Entbindungstermin meines Babys unmittelbar vor dem Parteitag liegt.

Zu eurer Frage eines Sonderparteitags zum Thema: 

Ich fände es am sinnvollsten, wenn sich einer der nächsten Parteitage einen halben Tag nur mit dem Thema sozial-ökologischer Umbau beschäftigen würde. Ob das 2019 im Zusammenhang oder zusätzlich zum Europaparteitag möglich ist oder besser beim Parteitag 2020, kann ich nicht beantworten. Ich fände es dann aber gut, nicht nur über Programm, sondern auch Strategie zu diskutieren: Mit welchen Mitteln setzen wir unsere Forderungen durch? Wie mobilisieren wir Widerstand auf der Straße? Wie tragen wir das Thema in die Gewerkschaften? Wie gehen wir mit Widersprüchen in der eigenen Partei (Braunkohleabbau in Brandenburg etc) um?

Solidarische Grüße

Lucy Redler